Pflaumenbaum

Die Nadel meines Plattenspielers, die sich die ganze Nacht im toten Wachs dreht, nachdem ich zu Concierto de Aranjuez auf dem Sofa einschlafe. 

Die Nachttischlampe, die ich vergesse auszuschalten, bevor ich das Haus verlasse. 

Der Karton mit den handgetippten Erstfassungen.

Der Band mit Gedichten von Brautigan im Lichtkegel meiner Abwesenheit.

Der ausgewaschene Strafzettel, der seit Wochen hinter meiner Windschutzscheibe klemmt. 

Die Smith-Corona Galaxie, die in ihrem Koffer auf dem Dachboden steht. 

Die Flasche Pastis, die ich im Hotelzimmer in Istanbul stehen lasse. 

Die Tagebuchseiten, die ich seit zehn Jahren nicht wiedergelesen habe. 

Das Kinoticket in der Tasche des Mantels, den ich seit Jahren zum Schneider bringen will. 

Die Big Star Platte, die Hinter dem Regal festklemmt. 

Der Ast des Pflaumenbaums, auf den mein Onkel mich in meiner Kindheit jeden Abend hievt und der jetzt Morsch im Wind wippt. 

Die Bleistiftkästen in der Werkstatt meines Großvaters. 

Jede meiner Wohnungen, in der jetzt jemand anderes lebt. 

Die Holzstühle in meiner alten Schule. 

Der leere Waldweg, wenn ich nicht darauf laufe. 

Die Felskante der Klippe in Cassis, am Plage de Bestouan, und das Haus am anderen Ufer, mit dem Balkon auf das Meer hinaus. 

Das Café am Bosporus, in dem jetzt jemand anderes schreibt. 

Der kleine Pausenraum der Buchhandlung, in dem ich mich vor den Kunden verstecke und Borges lese. 

Der Schuppen, in dem ich zum ersten Mal geküsst werde. 

Der Karton mit Wollresten im Schlafzimmer meiner Großmutter. 

Der botanische Garten, in dem sie sich mit meinem Großvater fotografieren lässt. 

Die Triumph auf der sie dann nach Hause fahren. 

Die seifigen Blätter unter meinen Fahrradreifen. 

Das offene Notizbuch in meinem Schoß. 

Gulliver auf der verregneten Fensterbank. 

Der Rücksitz des orangenen Ford Capri meines Vaters. 

Die kühle Luft, die das Ohr unter dem Stetson streift. 

Das Schwarz-Weiß Kino der romanischen Fakultät. 

Weißweinküsse in der Caféteria.

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Artaud in Rio